Familienberatung am Limit

Lange Wartelisten, immer komplexere Fälle und ein überlastetes Hilfesystem: Die evangelischen Erziehungs- sowie Familien-, Paar- und Lebensberatungsstellen auf dem Gebiet des Diakonischen Werkes Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) warnen angesichts der steigenden Nachfrage vor einem drohenden Versorgungsengpass.  

In den Erziehungs- sowie Familien-, Paar- und Lebensberatungsstellen finden die Menschen schnelle Hilfe, bevor ihre Probleme noch komplexer und sie lange krank werden und auf Psychotherapie oder einen stationären Klinikaufenthalt angewiesen sind – auch mit wirtschaftlichen Folgen. „Wer bei der Beratung spart, zahlt später drauf“, sagt Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. „Nur wer in den Sozialstaat investiert, macht unsere Gesellschaft stark für die Zukunft.“ 

Das sind aus Sicht der Diakonie RWL aktuell die vier wichtigsten Punkte: 

  1. Mehr Ratsuchende 

Immer mehr Menschen suchen mit immer komplexeren Themen Rat, wodurch längere und häufigere Beratungen notwendig sind. Sie belasten beispielsweise der Krieg in der Ukraine, die Nachwirkungen der Pandemie, weltpolitische Krisen und der Klimawandel. „Es besteht die Gefahr, dass nicht mehr alle Menschen erreicht werden oder ausreichend Hilfe bekommen“, warnt Christian Heine-Göttelmann. „Alles deutet auf einen drohenden Versorgungsengpass hin.“ 

  1. Überlastetes System 

Neben der steigenden Nachfrage sehen sich die Beratungsstellen auch mit Engpässen in anderen Hilfesystemen konfrontiert. Viele Kinder und Jugendliche warten bis zu zwei Jahre auf einen Therapieplatz. „Unsere Beratungsstellen versuchen, diese Wartezeit zu überbrücken, aber das führt zu einer Überlastung unseres Systems“, so Heine-Göttelmann. Ein weiteres Problem ist die Überlastung in den Jugendämtern, die aufgrund ihrer begrenzten Kapazitäten an Familienberatungsstellen verweisen.  

  1. Knappe Finanzen 

Die finanziellen Ressourcen sind ebenfalls knapp. Seit 1993 werden keine neuen Beratungsstellen mehr in die allgemeine Förderung des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen, die zudem seit Jahren nicht angepasst wurde. Die Landesförderung deckt im Durchschnitt ein Viertel der Personalkosten und 20 Prozent der Betriebskosten der evangelischen Beratungsstellen. Die Kommunen, die Erziehungsberatungsstellen als kommunale Pflichtaufgabe vorhalten, fördern die Beratungsstellen sehr unterschiedlich. Oft ist die Förderung nicht an die gestiegenen Personalkosten angepasst. „Die Lücke zwischen öffentlichem Geld und den tatsächlichen Kosten wird immer größer“, so Heine-Göttelmann. „Der Eigenanteil der kirchlichen und diakonischen Träger steigt immens und parallel gehen die Einnahmen aus der Kirchensteuer zurück. Es drohen Schließungen oder Trägerwechsel.“ 

  1. Gesellschaft stärken 

Die Diakonie RWL fordert daher dringend eine bessere finanzielle und personelle Ausstattung der Beratungsstellen durch die Kommunen und das Land NRW. „Nur so können Familien, junge Menschen und andere Hilfesuchende die notwendige Unterstützung erhalten“, sagt Diakonie-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. „Beratung ist nachweislich effektiv und kostengünstig: Sie verbessert das familiäre Zusammenleben, stärkt die Erziehungskompetenz und hilft Eltern und jungen Menschen im Umgang mit belastenden Situationen.“  

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